FALL DES MONATS

FEHLVERHALTEN IM OP

WAS IST PASSIERT?

Kauter wurde während der OP nicht ordnungsmäßig verwahrt, sondern wurde immer wieder auf dem Patienten abgelegt. Zudem wurden immer wieder Instrumente auf den Patienten abgelegt. Im Laufe der OP lehnte sich die Assistenz/Instrumentaria in Richtung OP-Situs und stützte sich auf dem Patienten ab. Blöderweise wurde dadurch der Kauter aktiviert (es scheint, dass entweder ein auf dem Patienten befindliches Instrument oder der Spreizer direkt auf den Knopf des Kauters gedrückt hat). Es war auf jeden Fall unbeabsichtigt von der Person und sie war sich des "Fehlers" nicht bewusst - es war vielmehr ein zufälliges Ereignis, welches durch die Fehllagerung des Kauters entstanden ist. Der Kauter brannte sich während der Aktivierung durch die OP-Site-Folie sowie durch die gesamte Cutis des Patienten (bis in die Subcutis). Der Fehler wurde nicht angesprochen und am Ende nur mit einem Pflaster versorgt. Der weitere Verlauf des Patienten ist mir bis dato unbekannt. Es wird sich vermutlich nur um eine kosmetische Folge handeln, jedoch klarerweise auch mit einem Risiko von Infektion, Wundheilungsstörungen, ö.ä. Summa summarum hätte all das verhindert werden können, wenn der Kauter nicht auf dem Patienten abgelegt wird, sondern entweder auf den Instrumententisch gelegt, oder in einen dafür vorgesehenen Plastikbehälter (welcher am Tuch bzw. am Patienten befestigt wird) verwahrt wird.

WAS WAR DAS ERGEBNIS?

Kauter brannte sich durch die Haut des Patienten. Wird mit höchster Wahrscheinlichkeit nur eine kosmetische Folge haben (natürlich besteht dennoch das Risiko einer WHS oder eines Infekts der iatrogenen Wunde).

WO SEHEN SIE DIE GRÜNDE FÜR DIESES EREIGNIS?

Definitiv war die Ursache die Ablage des Kauters auf dem Patienten/fehlerhafte Lagerung des Kauters und der Instrumente. Für die Zukunft: Man sollte den Kauter verpflichtend entweder in eine dafür vorgesehene Plastikbox stecken oder auf den Instrumententisch legen (NB: manchmal kommen die Kauter in einer weißen Box geliefert - diese kann am Tuch bzw. am Patienten mittels Tuchklemme befestigt werden.

WAS WAR BESONDERS UNGÜNSTIG?

Eine Reihe ungünstiger Fälle: Kauter lag am Patienten, weitere Instrumente lagen am Patienten (Kabel & Absauger), durch die Abstützung der Assistenz auf dem Patienten wurde ungünstiger Weise der Kauter aktiviert (vermutlich hat eines der Instrumente direkt auf den Knopf des Kauters gedrückt).

EIGENER RATSCHLAG (TAKE-HOME-MESSAGE):

Kauter sicherer verwahren!!! 
Instrumente nicht auf dem Patienten ablegen!!!

WIE HÄUFIG TRITT EIN SOLCHES EREIGNIS AUF?

unbekannt

KAM DER PATIENT ZU SCHADEN?

Möglicher Personenschaden: Mittel

WELCHE FAKTOREN TRUGEN ZU DEM EREIGNIS BEI?

• Kommunikation (im Team, mit PatientIn, mit anderen ÄrztInnen, SanitäterInnen, etc.)
• Technische Geräte (Funktionsfähigkeit, Bedienbarkeit, etc.)

FALL-NR
267841
ALTERSGRUPPE
41 - 50
GESCHLECHT
männlich
BEREICH
Chirurgie
KONTEXT
Invasive Maßnahmen (Diagnostik / Therapie)
ORT DES EREIGNISSES
OP-Bereich
VERSORGNUNGSART
Routinebetrieb
TAG DES EREIGNISSES
Wochentag
WER BERICHTET
andere Berufsgruppe: OP-Assistenz
BERUFSERFAHRUNG
bis 5 Jahre

KOMMENTARE
 

Lösungsvorschlag bzw. Fallanalyse
Der dargestellte Fall sollte differenziert und in mehreren Zeitfenstern betrachtet werden.
Die Chirurgische Diathermie bzw. chirurgische Hochfrequenz-Chirurgie ist ein etabliertes Verfahren einerseits zur Koagulation bei Blutungen, andererseits zur Elektrotomie, also dem Schneiden von Gewebe. Je nach Anwendungsgebiet stehen dabei unterschiedliche Arbeitsinstrumente zur Verfügung. Zu unterscheiden sind monopolare Instrumente, deren Stromfluss durch den Körper gegen eine große Neutralelektrode gerichtet ist von bipolaren Instrumenten deren Stromfluss zwischen zweier Elektroden läuft und z.B. bei Pinzettenspitzen zur Anwendung kommt. Monopolare Instrumente werden entweder per Handbetrieb oder Fußpedal durch die Chirurg*innen bedient. Bipolare Instrumente können entweder per Fußpedal oder „automatisch“ durch den Kontakt und Stromfluss zwischen den Elektrodenspitzen ausgelöst werden.

Dem Prinzip der chirurgischen Hochfrequenz-Chirurgie ist gleich, dass es an den Elektrodenspitzen zu deutlicher Erhitzung des Gewebes und somit schon in der vorgesehenen Anwendung zu einer Denaturierung von Zellen, einer Degeneration von Proteinen kommt, was dem klinischen Bild von kleinflächigen Koagulationsnekrosen entspricht. Aus Sicherheitsgründen sollten deshalb Diathermiewerkzeuge nicht auf den Patient*innen gelagert werden. Es stehen Köcher aus nicht leitfähigem Kunststoff zur Verfügung um diese gesichert abzulegen bzw. kann das Diathermiewerkzeug auch auf dem Instrumententisch abgelegt werden.

Üblicherweise zeigen optische Lichtsignale und akustische Signale die aktuelle Anwendung der Chirurgischen Diathermie an, die eine versehentliche Anwendung verhindern sollen. Eine möglichst stille Arbeitsumgebung ist Voraussetzung dafür das akustische Signal zu hören.

Der Fallbeschreibung ist zu entnehmen, dass es durch die versehentliche Aktivierung des Diathermiewerkzeugs zu einer Zerstörung der OP-Abdeckungsfolie und in weiterer Folge zu einer Verletzung der oberflächlichen wie auch tiefen Hautschichten kam. Es ist somit von einer längerfristigen Anwendung des Gerätes auszugehen. Es ist davon auszugehen, dass eine dauerhafte lokale Wärmeanwendung >45°C sowie der lokale Stromfluss zu lokalen Verbrennungen der Hautstrukturen geführt hat.

Die zusätzliche Verletzung ist fachärztlich zu versorgen (exakte Inspektion der Wunde, Beachtung der Tiefenausdehnung, Ausschneiden der Wunde, chirurgische Wundversorgung). Das Ereignis ist zu dokumentieren. Die/Der Patient*in ist über das Ereignis zu informieren. Der Vorfall ist der Rechtsschutzversicherung zu melden.

Gefahren-/ Wiederholungspotenzial
Der Fallbericht stellt eine typische Situation im Operationssaal dar, so dass das Wiederholungspotenzial hoch eingeschätzt wird.

Weiterführende Literatur / Ausbildungsempfehlungen
https://www.medizinprodukte.at/media/uploads/medizinproduktegesetz/beschaffung_von_medizinprodukten.pdf


Einweisung der Anwender: Medizinprodukte dürfen nur von solchen Personen angewendet werden, die auf Grund ihrer Ausbildung, praktischen Erfahrungen sowie erforderlichenfalls einer spezifischen Einweisung die Gewähr für eine sachgerechte Handhabung bieten.

Medizinprodukte, für die besondere Sicherheitsvorkehrungen zu treffen sind, dürfen nur von Personen angewendet werden, die am Medizinprodukt oder an einem Medizinprodukt dieses Typs unter Berücksichtigung der Gebrauchsanweisung sowie weiterer sicherheitsbezogener Informationen in die sachgerechte Handhabung eingewiesen wurden und auf besondere anwendungs- und produktspezifische Gefahren hingewiesen wurden.

Sonstige Anmerkungen
Fokus Ablage: Die Diathermie-Handgriffe sollen in den dafür vorgesehenen Köcher bzw. am Instrumententisch abgelegt werden.

Fokus Einschulung: Jede Person, die direkt oder indirekt Medizinprodukte der Klasse IIb bedient oder dabei assistiert gehört auf diese eingeschult und auf die besonderen Gefahren hingewiesen.

Fokus Gefahrenabwehr: Die optischen und akustischen Signale müssen wahrnehmbar sein. Die Position des Generators ist so zu wählen, dass die optischen Signale v.a. durch die Anwender sichtbar sind. Die Lautstärke, so sie variabel einstellbar ist, ist so zu wählen, dass das akustische Signal gehört werden kann. Die Hintergrundgeräusche im Operationssaal während des Betriebs sind so gering wie möglich zu halten.

Fokus Kommunikation: Speak up! Wird das akustische Signal von jemandem im Operationssaal als Dauerton und nicht zum Operationsgeschehen passend wahrgenommen, so gehört diese Beobachtung angesprochen.

ExpertIn des LK Klosterneuburg / UK Tulln
(medizinisch-fachlicher Aspekt, Unfallchirurgie)
Veröffentlichung am 03.03.2025